Das ist jedoch nicht alles. Benedikt sagte: Überall ist Gott gegenwärtig, so glauben wir. Das wollen wir ohne jeden Zweifel dann glauben, wenn wir Gottesdienst feiern (RB 19).

Gott antwortet auf die ausdrückliche Zuwendung zu ihm, auf die Anbetung und den Dank. Gottes Antwort besteht in der Gabe seiner Nähe. Die in der Bibel gesammelten Schriften bergen in sich ein Sprechen Gottes zu seinem Volk und zu den Menschen. Darum nennt man sie Heilige Schrift und man sagt, darin finde man das „Wort Gottes“. Wenn dieses Wort Gottes verkündet wird, so meinte Benedikt, werde die Gegenwart Gottes in einer besonderen Dichte Wirklichkeit. In der wunderbaren Bildsprache der Bibel heißt das: „Gott lässt sein Angesicht über uns leuchten.“ Dadurch wird das Bauwerk aus Steinen zu einem Haus Gottes.

Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Frömmigkeit der Christen, dass sie überzeugt sind, dass es eine Weise von Gegenwärtig-sein auf einer höheren Ebene von Realität gibt, die aber auch in die alltägliche Realität hineinwirkt. Das ist schwer zu beschreiben und nähert sich einer Wirklichkeit, die unaussprechlich ist. Sehr vielen Menschen in unserem Land ist das fremd geworden. Um zu verstehen, was Religion überhaupt heißt, muss man wahrnehmen, dass es sich um eine Beziehung des Menschen zu einem Unfassbaren handelt, das auf einer höheren Ebene des Lebens präsent ist, – ein Gegenwärtig-sein, das mit Mitteln der Technik nicht wahrnehmbar ist. Wenn die Mönche zum Gottesdienst in der Kirche zusammenkommen, folgen sie im Grunde einer Einladung. Es geht darum, sich in die Gegenwart Gottes und in die Gegenwart Jesu, des Auferstandenen, hineinzubegeben. Wenn Besucher zu den Gottesdiensten hinzukommen, müssen sie nichts Besonderes tun. Es reicht, wenn sie einfach in diesen geistigen Raum der Gegenwart Jesu und Gottes, den er den Vater nannte, innerlich eintreten.

Die Worte der Heiligen Schriften im Gottesdienst schaffen Gemeinschaft. Die Juden sagten nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n. Ch.: „Wir halten den Sabbat – und der Sabbat hält uns.“ Ähnliches können die Mönche vom christlichen Gottesdienst sagen. Die Mönche machen also nicht den Gottesdienst, sie lassen ihn aufleben und wirksam werden. Was sie selbst dazu beitragen ist das Gebet für die Menschen. Sie geben sozusagen deren Leben in den Raum der Gegenwart Gottes und Jesu hinein.

Jesus hat gesagt: „Bittet, dann wird euch gegeben. Sucht, dann werdet ihr finden. Klopft an, dann wird euch geöffnet.“ Die aufrichtige Zuwendung zu Jesus geht nicht ins Leere. Auch wenn es nicht immer unseren Vorstellungen entspricht, so gibt er doch seine Gegenwart. Wir werden zwar nicht bewahrt vor Leiden, Bedrängnissen und Vergänglichkeit unseres Körpers, aber wir müssen den Weg unseres Lebens nicht alleine gehen. Wir erhalten Kraft für den inneren Menschen durch das Wirken des Heiligen  Geistes, wir können das Böse überwinden und hoffen auf die Vollendung unserer Persönlichkeit im Reich Gottes.

Dieses Gebet, das Menschen in die Gegenwart Gottes stellt, wird in der Bibel Fürbitte genannt. Es ist das Tun, das die Mönche erbringen; es ist das „etwas“, das „die Mönche doch machen“. Es ist sozusagen ihr Anteil.

Dadurch ergibt sich ein Geflecht von Beziehungen zu Lebenden und auch zu Menschen, die bereits durch den Tod hindurchgegangen sind. Es entsteht ein großes Miteinander.

Das Leben der Mönche im Kloster erschöpft sich nicht im Gottesdienst. Doch dieser Dienst gibt dem Ort einen besonderen Charakter. Er tut allen Menschen gut, auch wenn sie sich nicht als Christen verstehen.

Bruder Athanasius